Jetzt erst recht: Krisenfeste Bedingungen für Studierende und Beschäftigte schaffen!

Wir sind Studierende und Beschäftigte an den Hamburger Hochschulen. Organisiert sind wir in der Mittelbau Initiative, der Kampagne TVStud, in den Gewerkschaften Ver.di und GEW sowie in zahlreichen studentischen Basisgruppen und Gremien der studentischen Selbstverwaltung. Wir richten uns an die Leitungen der Hamburger Hochschulen und die Wissenschaftsbehörde mit ihrer Vorsitzenden Katharina Fegebank. Gemeinsam fordern wir: Es reicht! Schaffen Sie krisenfeste Bedingungen und stoppen sie den künstlichen Normalbetrieb auf unseren Rücken!

In Zeiten der Pandemie spüren wir als Studierende, dass unsere Studienbedingungen maßgeblich von den Arbeitsbedingungen der Lehrenden abhängig sind. Andererseits können wir uns als Lehrende noch gut in die Lage Studierender hineinversetzen, die nicht selten mit mehreren Nebenjobs jonglieren müssen, um ihr Studium finanzieren zu können. [1] Für viele ist die Weiterführung des Studiums aktuell ohne Unterstützung von Eltern nicht mehr vorstellbar. Wie bereits in vielen Medien diskutiert wird, wurden die schon vorher vorhandenen sozialen Ungerechtigkeiten und prekären Arbeitsbedingungen an und um die Hochschulen vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie massiv verschärft. Außerdem sind noch weitere Misstände hinzugekommen, die Menschen z.B. aufgrund von Wohnverhältnissen, Pflege- oder Betreuungsverantwortung, fehlender Ausstattung und gesundheitlichen Einschränkungen treffen. Wer gerade mit diesen zusätzlichen Einschränkungen belastet ist, kann weder angemessen arbeiten, noch studieren. Für viele von uns bedeutet der Zusammenbruch des Arbeitsmarktes für Studierende und damit der Wegfall von Lehraufträgen, SHK- und Tutor*innentätigkeiten massive finanzielle Einschnitte. Gemeinsam fordern wir deshalb Behörden und Hochschulleitungen auf, krisenfeste Bedingungen im Hochschulbetrieb zu schaffen und den künstlichen Normalbetrieb auf unseren Rücken zu stoppen!

Von guten Lehr- und Lernbedingungen sind wir im digitalem Semester weit entfernt

  • Über die derzeitigen Maßnahmen zur Absicherung unserer Lebensbedingungen können wir als Studierende nur den Kopf schütteln. Sollen wir uns jetzt ernsthaft auch noch mit Krediten für Studierende verschulden, weil in den letzten beiden Jahrzehnten der Arbeitsmarkt so sehr auf unsere Kosten flexibilisiert wurde, dass wir nun in Windeseile alle unsere sowieso schlecht bezahlten und befristeten Jobs verloren haben? Statt die finanziellen Lasten nochmals auf uns abzuwälzen, fordern wir eine Annahme der Verantwortlichkeit der Hochschulen und der Behörde. Wir werden eine Politik nicht mehr hinnehmen, die studentische Beschäftigte trotz viel gepriesener Sozialpartnerschaft ohne Tarifvertrag einstellt, uns mit befristeten Verträgen von meistens vier bis sechs Monaten abwickelt und nun teilweise fallen lässt. [2]
  • Als Beschäftigte im akademischen Mittelbau sehen wir uns mehr denn je in der Zwangslage, uns endgültig zwischen der Arbeit in der Wissenschaft und den eigenen Kindern zu entscheiden. Unter den gegenwärtigen Gegebenheiten sind alle Hoffnungen aufgegeben, beides unter einen Hut bringen zu können. Die oft kurzzeitig befristeten Arbeitsverhältnisse stellen uns nun ganz konkret und alltäglich vor genau diese Wahl. [3]

Die aktuelle Situation ist eine Zerreißprobe, aber wir lassen uns nicht zerreißen. Wir organisieren uns gemeinsam gegen eine Politik der prekären Wissenschaft. Als Studierende, Studentische Hilfskräfte (SHK), Tutor*innen, Dozierende und wissenschaftlich Arbeitende stehen wir in Anbetracht der gegenwärtigen Situation daher für ein sofortiges Ende der prekären Wissenschaft ein.

Gemeinsam fordern wir: Jetzt erst recht krisenfeste Bedingungen schaffen!

  • Für eine echte Absicherung von Studierenden, die zum Leben reicht! Erhöhung und Öffnung des BAföG. Das BAföG sollte allen Studierenden als Vollzuschuss unabhängig von Studiendauer und Alter zustehen. 
  • Auch für studentische Beschäftigte müssen Mindeststandards zur Absicherung der Arbeits- und Lebensbedingungen her: Wir brauchen verbürgte Mitbestimmungsrechte und einen Tarifvertrag (TVStud).
  • Für krisenfeste Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft: Wir plädieren für die Einrichtung unbefristeter Stellen für wissenschaftliche Tätigkeiten und deutlich bessere Bezahlung und Absicherung von Lehraufträgen. 

Her mit dem Solidarsemester!

Als Studierende und Lehrende vereinen wir uns solidarisch gegen eure Krisenlösungen auf unsere Kosten. Für das laufende Sommersemester und das folgende Wintersemester fordern wir ein Solidarsemester! [4]

Unterzeichner*innen:

  • TVStud Hamburg
  • Mittelbau Initiative Hamburg
  • Netzwerk Arbeitskämpfe Hamburg
  • Ver.di Hamburg (FB 5 – Bildung, Wissenschaft und Forschung)

Fakten:

[1] Rund 79 % der Hamburger Studierenden arbeiten neben dem Studium um sich das Leben und Studieren in Hamburg leisten zu können. (Siehe 21. Hamburger Sozialerhebung des Studierendenwerks Hamburg: https://www.studierendenwerk-hamburg.de/studierendenwerk/de/downloads/unternehmen/Sozialerhebung2016_fuerWeb_2018_06.pdf )

[2] Fast 75 % der Studentischen Hilfskräfte an Hamburger Hochschulen bekamen 2018 einen auf nur 2 – 6 Monate befristeten Arbeitsvertrag. (Siehe Drucksache 21/15928, Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, 21. Wahlperiode, vom 19.02.2019:  https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/65422/beschaeftigungssituation_studentischer_hilfskraefte_an_hamburger_hochschulen.pdf )

[3] 89 % der wissenschaftlichen Angestellten an Universitäten haben einen befristeten Arbeitsvertrag (Zahlen für 2018), siehe: Gassmann, Befristete Beschäftigung von wissenschaftlichen Mitarbeitern an Hochschulen in Deutschland, S. 11.  https://www.gew.de/fileadmin/media/publikationen/hv/Hochschule_und_Forschung/Broschueren_und_Ratgeber/Evaluation-WissZeitVG-AV-final.pdf

[4] Das bedeutet konkret: Für Studierende gab es keine Anrechnung des Semesters auf die Förderdauer von BAföG und Stipendien geben! Das sogenannte „Notfalldarlehen“ sollte nicht zurückgezahlt werden müssen und Studierenden in Notlagen als Zuschuss zukommen. Der Verwaltungskostenbeitrag im Digitalsemester sollte grundsätzlich allen Studierenden erlassen, damit die Sozialenverwerf​​ungen weiter abgefedert werden.  Keine Anrechnung von Studien- und Prüfungsleistungen zum Nachteil der Studierenden. Alle Prüfungsfristen und automatischen Nichtbestehensregelungen sind auszusetzen und um mindestens ein Semester zu verlängern. Alle Prüfungsversuche im Sommersemester sollen als Freiversuche gewertet werden, d.h. sie werden im Falle des Nichtbestehens nicht gezählt und können im Falle des Bestehens zur Notenverbesserung wiederholt werden. Für die Beschäftigten bedeutet dies: Eine Verlängerung aller wissenschaftlichen Beschäftigungsverhältnisse (mindestens) für die Dauer der coronabedingten Einschränkungen! Die digitale Lehre und die weiteren aktuellen Einschränkungen, insbesondere bei der Kinderbetreuung, sind mit erheblichem Mehraufwand verbunden. Dieser macht es unmöglich, die zusätzlich geforderten wissenschaftlichen Leistungen „nebenbei“ zu erbringen. Eine angemessene Vergütung des Mehraufwandes zur Aufrechterhaltung des universitären Betriebs und der Lehre,  eine Entlastung derjenigen mit Betreuungsverpflichtungen und Ausfallhonorare für Lehraufträge. Die Zeit des eingeschränkten Hochschulbetriebs darf nicht auf die Befristungsdauer von wissenschaftlichen (nach WissZeitVG) und studentischen Beschäftigten angerechnet werden.

Kategorien: Alle Beiträge