Wir – wissenschaftliche Mitarbeiter*innen und studentische Beschäftigte – haben uns zusammengeschlossen, um uns gemeinsam gegen prekäre Arbeitsbedingungen an den Hochschulen zu wehren. Wir nehmen die Befristungsketten, die Überbelastung und die geringe Bezahlung nicht länger hin. Deshalb fordern wir die Stadt Hamburg und namentlich Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank dazu auf, unser Anliegen nicht länger kleinzuhalten und mit minimalen Zugeständnissen und leeren Versprechungen beiseite zu schieben.

Während die neoliberale Umstrukturierung der Hochschulen in den vergangenen Jahren lediglich vereinzelt auf Protest gestoßen ist, wächst nun der Widerstand. Bundesweit organisieren sich immer mehr Beschäftigte im akademischen Mittelbau und auch in Hamburg haben wir angefangen uns zu wehren. Gemeinsam vernetzen wir uns, verlassen die Vereinzelung am Arbeitsplatz und kämpfen für die Verbesserung unserer Arbeitsverhältnisse. Gleichzeitig organisieren sich in Hamburg auch immer mehr studentische Hilfskräfte und Tutor*innen um zur Durchsetzung eines Tarifvertrags in den Arbeitskampf zu gehen.

Wir sind in der Mittelbau Initiative Hamburg und der Kampagne TVStud organisiert und haben in der letzten Zeit wichtige Prozesse der Basisarbeit initiiert, auf die wir nun aufbauen können. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir uns vereinen und gemeinsam mit unseren Forderungen in die Öffentlichkeit treten.

Nichts muss so sein wie es ist – packen wir das Problem an seinen Wurzeln!

Die Grenzen zwischen Freizeit und Lohnarbeit verschwinden in immer mehr Bereichen der Gesellschaft – auch in der Wissenschaft. Die der wissenschaftlichen Arbeit inhärente Logik von Überidentifikation mit der eigenen Arbeit und Entgrenzung von Arbeitszeit macht universitär Beschäftigte besonders ausbeutbar. Die daraus folgende Verschmelzung zwischen fremdbestimmter Lohnarbeit und Eigenqualifikation ist inzwischen bewusst herbeigeführte und gewollte Normalität. Das heutige Prinzip Hochschule lebt von diesen Formen der Entgrenzung und den strukturell hergestellten Bedingungen, die die organisierte Selbstausbeutung immer weiter vorantreiben. Diese Bedingungen für Konkurrenz, Erschöpfung und Zukunftsangst, lassen sich nur gesamtgesellschaftlich von unten bekämpfen, in dem wir gemeinsam Druck aufbauen. Gemeinsam können wir diese Bedingungen verändern!

Denn die Abhängigkeit von befristeten Kettenverträgen ist kein Naturphänomen! Ebenso ist es eine politische Entscheidung, dass die in den Arbeitsverträgen festgeschriebenenArbeitszeiten auch konsequent eingehalten werden und die Arbeitsanforderungen in der vorgegebenen Zeit machbar sind. So wird beispielsweise studentischen Tutor*innen monatlich nur ein geringer Pauschalbetrag (etwa 220€) für die wöchentlichen Lehrveranstaltungen bezahlt, ohne hierbei die individuelle Vor- und Nachbereitungszeit zu berücksichtigen. Das Ergebnis ist, dass für viele die tatsächlich bezahlte Arbeitszeit am Ende teils unter dem Mindestlohn liegen. Ihre und auch die Verträge studentischer Hilfskräfte (die universitätsintern als „Sachmittel“(!) geführt werden) laufen in den meisten Fällen nur semesterweise. Sie müssen alle 4 bis 6 Monate auf eine Verlängerung der bezahlten Arbeit hoffen. Viele sind auf den Job angewiesen, um sich ein Studium zu finanzieren und das Leben in Hamburg überhaupt leisten zu können. Dabei handelt es sich bei ihnen inzwischen um eine tragende Säule des wissenschaftlichen Betriebs. Es gibt in Hamburg 5500 studentische Beschäftigte von denen über 4600 nicht unter einen Tarifvertrag fallen. Sie alle sorgen mit dafür, dass Wissenschaft möglich ist und der Laden am Laufen gehalten wird.

Im wissenschaftlichen Mittelbau sehen diese Bedingungen nicht anders aus. Eine halbe Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiter*in bedeutet am Ende eine halbe Woche unbezahlte Arbeit. Die Regel sind außerdem kurze Laufzeiten und „Kettenverträge“, die strukturierte Forschungsprozesse und Lehrbetreuung unmöglich machen. Die Funktionsbeschreibung einer Promotionsstelle (50%) legt beispielsweise fest, dass von den bezahlten 19,5h pro Woche für „die Gelegenheit zur Promotion“ 6,5h, für Tätigkeiten in der Lehre 5h, für Tätigkeiten in der Forschung 6h und für andere Dienstleistungen 2h aufgewendet werden sollen. Es steht außer Frage, dass insbesondere der Zeitanteil für Vor- und Nachbereitung der Lehre sowie für die eigene wissenschaftliche Arbeit zu gering bemessen sind und die Befristung den Druck, über die vertraglich geregelte und entlohnte Arbeitszeit hinaus zu arbeiten, zusätzlich erhöht. Die daraus ersichtliche geringe Wertschätzung und Priorisierung der Lehrverpflichtung hat direkte Auswirkungen auf die Studienbedingungen, die direkt abhängig sind von den Arbeitsbedingungen der Lehrenden.

Diese Prekarisierung der Lohnarbeit befördert insbesondere Abhängigkeiten von Vorgesetzten und Geldgebern. Die aus der Prekarität resultierenden Hierarchieverhältnisse begünstigen Belästigungen, übergriffige Verhaltensweisen und Diskriminierungen, von denen insbesondere Frauen* und people of color betroffen sind. Sich in solchen Fällen zu wehren, wird durch befristete Arbeitsverhältnisse und direkte personelle Abhängigkeiten zusätzlich erschwert. Die an den Hochschulen reproduzierten gesellschaftlichen Machtverhältnisse, speziell der erschwerte Zugang für Kinder aus Nicht-Akademikerhaushalten, Frauen* und Menschen mit (familiärer) Migrationsgeschichte in den wissenschaftlichen Betrieb, müssen überwunden werden.

Wir sind der Aufstand der Kosten!

Denn wir sind nicht Kostenfaktor, sondern Menschen. Wir wollen bereits jetzt ein gutes Leben und uns nicht mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft abspeisen lassen. Eine Hoffnung, die sich in den letzten Jahren immer stärker als Illusion entlarvt: Dass es solche Jobs im neoliberalen Kapitalismus kaum noch gibt, wissen wir alle nur zu gut. Und auch in der Wissenschaft ist eine Professur am Ende des langen Tunnels der Befristung(-en) – rein statistisch gesehen – nur für den kleinsten (zumeist männlichen) Teil von uns zu erreichen. Wir wollen gesicherte berufliche Perspektiven in der Wissenschaft auch ohne Professor*innentitel. Wir wollen uns nicht mehr von Versprechungen und Verheißungen bei der Stange halten lassen, die niemals eingelöst werden.

Wir machen Schluss mit individualistischen „Lösungs-„Strategien! Wir haben uns zusammengeschlossen, um bereits jetzt kollektiv für ein gutes Leben aufzustehen. Wir lassen uns nicht länger mit den falschen Versprechen der Leistungsgesellschaft auf einbesseres Morgen hinhalten. Wir haben ein Anrecht auf ein gutes Leben und dazu gehören vor allem sichere Zukunftsperspektiven. Jetzt und nicht irgendwann!

Wir fordern von der Stadt Hamburg:

  • Einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte – sowie das Recht auf ein eigenständiges Mitbestimmungsgremium!
    • Mindestens 2-jährige Befristungen für studentische Beschäftigte an den Hamburger Hochschulen, wie sie bspw. auch in Berlin möglich ist.
  • Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im akademischen Mittelbau
    • Schaffung zusätzlicher und unbefristeter Stellen, insbesondere im wissenschaftlichen Mittelbau (max. 8 LVS Lehrverpflichtung)
    • Festschreibung des Stellenumfangs von Promotionsstellen auf 100 Prozent (dabei 50% der Zeit für die Qualifikation) mit angemessenen Vertragslaufzeiten (z.B. 6 Jahre)
    • sozialversicherungspflichtige Beschäftigung als Regelfall für die Promotion
    • Regelhaft entfristete Beschäftigung für Post-Docs
    • Höhere Entlohnung von Lehraufträgen und Titellehre

Schluss mit unbezahlter Arbeit und Befristungen! Her mit Perspektiven und einer besseren Bezahlung!

Wenn ihr die Erklärung unterschreiben wollt, schreibt an: info[at]tvstud-hamburg.de

Unterstützende:

Organisationen

  • TV Stud Hamburg
  • Mittelbau Initiative Hamburg
  • Netzwerk Arbeitskämpfe Hamburg
  • GEW Hamburg (Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft)
  • Ver.di Hamburg (FB 5 – Bildung, Wissenschaft und Forschung)
  • Ver.di Jugend Hamburg
  • Landes-ASten-Konferenz Hamburg
  • Stipendiaten der Hans-Böckler-Stiftung (Hamburg)
  • Arbeitsgemeinschaft für Gewerkschaftliche Fragen (AgF) Hamburg
  • Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union (FAU) Hamburg
  • Alle Frauen*Referat (AF*R) Universität Hamburg

Professor*innen

  • Prof. Dr. Frank Adloff (WiSo-Fakultät, Fachbereich Sozialökonomie der Universität Hamburg)
  • Jun.-Prof. Dr. Stefan C. Aykut (WiSo-Fakultät, Fachbereich Sozialökonomie der Universität Hamburg)
  • Prof. Dr. Monika Grubbauer (Geschichte und Theorie der Stadt, HafenCity Universität Hamburg)
  • Univ.-Prof. Dr. Kaja Harter-Uibopuu (Historisches Seminar – Arbeitsbereich Alte Geschichte, Universität Hamburg)
  • Prof. Dr. Annita Kalpaka (Fakultät Wirtschaft & Soziales, Department Soziale Arbeit, Hochschule für Angewandte Wissenschaften)
  • Jun.-Prof. Dr. Raija Kramer (Fakultät für Geisteswissenschaften, Afrikanistik und Äthiopistik an der Universität Hamburg)
  • Prof. Dr. Thorsten Logge (GeiWi-Fakultät, Fachbereich Geschichte der Uni Hamburg)
  • Prof. Dr. Wolfgang Menz (WiSo-Fakultät, Fachbereich Sozialökonomie der Universität Hamburg)
  • Prof. Dr. Udo Schickhoff (MIN-Fakultät, Fachbereich Geowissenschaften der Universität Hamburg)
  • Prof. Dr. Urs Stäheli (WiSo-Fakultät, Fachbereich Sozialwissenschaften der Universität Hamburg)
  • Prof. Dr. Susanne Vaudt (Sozialökonomie und Sozialmanagement, Hochschule für Angewandte Wissenschaften)
  • Vtr.-Prof. Dr. Anne Vogelpohl (Fakultät Wirtschaft & Soziales, Department Soziale Arbeit, Hochschule für Angewandte Wissenschaften)
  • Prof. Antje Wiener PhD (WiSo-Fakultät, Fachbereich Sozialwissenschaften an der Uni Hamburg)
  • Prof. Dr. Kathrin Wildner (Stadtethnologie, HafenCity Universität)
  • Jun.-Prof. Dr. Katharina Zimmermann (WiSo-Fakultät, Fachbereich Sozialökonomie der Universität Hamburg)
Kategorien: Alle Beiträge